Theoderich der Große

Theoderich der Große
Theoderich der Große
 
Die Ostgoten hatten nach ihrer Befreiung von der hunnischen Herrschaft Wohnsitze in Pannonien zugewiesen bekommen, zogen aber bald südwärts bis nach Makedonien und Westthrakien. Der oströmische Kaiser Zenon sah sich 483 gezwungen, den mächtigen Ostgotenführer Theoderich aus dem Fürstengeschlecht der Amaler als Magister militum (Heermeister) anzuerkennen. Theoderich, etwa 453 geboren, war als Geisel in Konstantinopel aufgewachsen und nach seiner Rückkehr 471 schon zu Lebzeiten seines Vaters zum König erhoben worden. 488 sandte Zenon Theoderich nach Italien, um die Herrschaft Odoakers zu zerschlagen, der ebenfalls in kaiserlichem Dienst gestanden hatte, aber 476 als Führer germanischer Söldnertruppen den letzten weströmischen Kaiser Romulus Augustulus abgesetzt hatte. Nach jahrelangen Kämpfen, u. a. um Odoakers Hauptstadt Ravenna (die »Rabenschlacht« der Sage um Dietrich von Bern), einigte sich der Ostgotenkönig zum Schein mit seinem Rivalen auf eine gemeinsame Herrschaft, doch kurz darauf ermordete er Odoaker (493) und war nunmehr alleiniger Herrscher in Italien, nominell freilich unter der Oberhoheit des Kaisers, dessen Stellvertreter er für die romanische Bevölkerung seines Reiches war.
 
Theoderich behielt die spätantike römische Verwaltung im Wesentlichen bei und zog zum Teil römische Ratgeber an seinen Hof in Ravenna, darunter die Gelehrten Cassiodor (er schrieb u. a. eine Geschichte der Goten) und Boethius, der allerdings 524 als angeblicher Verschwörer gegen die Ostgotenherrschaft hingerichtet wurde (im Gefängnis verfasste er das im Mittelalter weit verbreitete »Trostbuch der Philosophie«). Romanen und Goten blieben im Übrigen durch ein Heiratsverbot sowie durch die unterschiedlichen Glaubensrichtungen und Rechtsstellungen getrennt; der Kriegsdienst oblag nur den Goten.
 
Außenpolitisch verstand es Theoderich, offene Konflikte mit dem Kaiser zu vermeiden und zu den anderen germanischen Fürsten freundschaftliche Beziehungen anzuknüpfen, die er durch Heiratsverbindungen mit den Herrscherfamilien der Westgoten, Vandalen, Burgunder und Franken zu festigen suchte; er selbst nahm eine Schwester des Frankenkönigs Chlodwig zur Frau. Bei seiner Bündnispolitik erlebte er jedoch auch Rückschläge, vor allem infolge des fränkischen Expansionsstrebens auf Kosten der Westgoten, der Burgunder und der unter ostgotischem Schutz stehenden Alemannen.
 
Als Theoderich 526 starb, blieb seine Herrschaft den Menschen als eine Zeit des Friedens und der Gerechtigkeit in Erinnerung, doch sein Lebenswerk hatte keinen Bestand. Seine Tochter Amalasuntha (Amalaswintha), Regentin für ihren unmündigen Sohn, fiel 535 einem Mordanschlag ihres Vetters und Mitregenten Theodahad zum Opfer. Die letzten Ostgotenkönige, Witigis (536-540), Totila (541-552) und Teja (552-553), unterlagen den Feldherren Kaiser Justinians, Belisar und Narses. Die Reste der Goten gingen später in der italischen Bevölkerung auf.

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Theoderich der Große — Theodericus Rex, nach einer Handschrift des 12. Jahrhunderts.[1] Theoderich, genannt der Große (Flavius Theodoricus Rex; * 451/56 in Pannonien; † 30. August 526 in Ravenna …   Deutsch Wikipedia

  • Gregor der Große — Gregor I. beim Diktieren der Gregorianischen Gesänge (aus dem Antiphonar des Hartker von St. Gallen, um 1000) Gregor der Große (Gregorius, als Papst Gregor I.; * um 540 in Rom; † 12. März 604 in Rom) war von 590 bis 604 Papst. Er gilt als …   Deutsch Wikipedia

  • Romulus der Große — Daten des Dramas Titel: Romulus der Große Gattung: Eine ungeschichtliche historische Komödie in vier Akten Originalsprache: Deutsch Autor: Friedrich Dürrenmatt …   Deutsch Wikipedia

  • Karl der Große — (links) und sein erster Sohn Pippin der Bucklige, darunter ein Schreiber; Miniatur aus dem 10. Jahrhundert, Kopie einer verlorenen, zwischen 829 und 836 in Fulda für Graf Eberhard von Friaul hergestellten Miniatur, Biblioteca Capitolare, Modena,… …   Deutsch Wikipedia

  • Theoderich Strabon — Theoderich „Strabo“ („der Schieler“; † 481) war ein oströmischer Heermeister ostgotischer Abstammung. Theoderich stammte wie sein Namensvetter Theoderich der Große aus dem Haus der Amaler, jedoch aus einer anderen Seitenlinie; der Name seines… …   Deutsch Wikipedia

  • Theoderich Strabo — Theoderich „Strabo“ („der Schieler“; † 481) war ein oströmischer Heermeister ostgotischer Abstammung. Theoderich stammte wie sein Namensvetter Theoderich der Große aus dem Haus der Amaler, jedoch aus einer anderen Seitenlinie; der Name seines… …   Deutsch Wikipedia

  • Theoderich — ist der Name folgender Personen: Theoderich I. (418–451), westgotischer König Theoderich II. (453–466), westgotischer König Theoderich der Große, König der Ostgoten (455–526) Theoderich Strabo († 481), oströmischer Heermeister ostgotischer… …   Deutsch Wikipedia

  • Sachsenkriege (Karl der Große) — Die Sachsenkriege Karls des Großen dauerten von 772 bis etwa 804. Sie begannen im Sommer 772 mit der Zerstörung der Irminsul und einem Feldzug des fränkischen Königs Karls des Großen gegen das Volk der Sachsen und endeten 804 mit der Unterwerfung …   Deutsch Wikipedia

  • Theoderich — I Theoderich,   Name gotischer Könige; bedeutend v. a.:    Ostgoten:    1) Theoderich der Große, Teilkönig (seit 471), König (seit 474, in Italien seit 493), * in Pannonien 451 (?), ✝ Ravenna …   Universal-Lexikon

  • Theoderich — latinisierte Form von → Dietrich (Bedeutungszusammensetzung aus: »Volk« und »Herrscher«). Namensträger: Theoderich der Große, König der Ostgoten …   Deutsch namen

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”